Highly recommended
Da es mich heuer faulheitsbedingt nicht so recht auf den Schlachthofball gezogen hat, ich aber das Motto „Großbritannien“ schon recht super finde, schick ich hier im druckaecht noch meinen Senf zum Thema nach. Wie eh schon im Ankündigungstext zum Ball zu lesen war, sind meines Erachtens in den vergangenen Jahrzehnten die einflussreichsten popkulturellen Einflüsse in den Bereichen Sport, Musik, Mode, Freizeit und so weiter von der Insel zu uns herübergeschwappt.
Und weil ich in den 80ern und frühen 90ern wesentlich vom Fernsehen sozialisiert worden bin und wir jetzt gerade zweieinhalb Jahre Pandemie mit ausreichend Zeit fürs „Bingen“ gehabt haben und ich mich sowieso als Couchpotato (so hat man früher gesagt) bzw. Drinnie (so sagt man heute) und damit enger Freund des Wohnzimmers identifiziere, hab ich mir gedacht, ich schreib hier ein paar Zeilen über aktuelle britische Serien und Filme. Fernsehen aus UK ist – wie sagt man professionell – schon recht super.
Und das genreübergreifend: Man denke nur an die Comedy von Fawlty Towers, Mr. Bean oder IT Crowd. Man denke an Krimiserien wie Broadchurch und Sherlock. An Science Fiction von Dr. Who bis Black Mirror. Oder an Historisches von The Crown bis Chernobyl. Alles in seiner Zeit super, vieles aus heutiger Sicht nicht ganz unproblematisch, das meiste ziemlich männlich dominiert. Ich picke mir deshalb hier mal ein paar neue Serien heraus, in denen die Frauen den Ton angeben. Und die natürlich auch verschiedene Genres abdecken.
Cunk on Earth (2022, BBC Two/Netflix, 5 Episoden) In dieser Mockumentary, die auf der 2018 veröffentlichen Miniserie Cunk on Britain basiert, führt die fiktive Reporterin Philomena Cunk durch die Geschichte der Welt von den Anfängen der Menschheit bis heute. Die Hauptrolle der Reporterin ist dabei von der aus Bolton stammenden Schauspielerin und Komikerin Diane Morgan besetzt, die man auch als Redakteurin Kath aus Ricky Gervais‘ Serie After Life kennt.
Lustig ist das alles vor allem deshalb, weil Cunk nicht so wirklich viel Ahnung von Geschichte hat und sich deshalb mit Expert*innen unterhält, die sie mit ihren absurden Fragen oft ziemlich in Verlegenheit bringt. Das versprüht ein bisschen Ali G-Vibes, auch deshalb, weil sie trotz ihrer scheinbaren Unbedarftheit ganz oft genau die empfindlichen Stellen der Geschichtsschreibung trifft – etwa den Eurozentrismus, wenn Gutenberg als „Erfinder des Buchdrucks“ bezeichnet und die weit älteren Verfahren aus Ostasien gekonnt ignoriert werden. Super Serie mit vielen Lachern, aber mit fünf Folgen ein bissl kurz, um wirklich in die Tiefe zu gehen. Schade eigentlich.
Red Rose (2022, BBC Three/Netflix, 8 Episoden) In Bolton, dem Geburtsort von Diane Morgan aka Philomena Cunk, spielt diese Horrorserie aus dem Hause Eleven Film, von dem etwa auch schon Sex Education produziert wurde. Auch hier ist es vor allem der Cast (und der super nordenglische Akzent), der die Serie sehenswert macht. Besonders die jugendlichen Hauptdarstellerinnen Amelia Clarkson, Isis Hainsworth und Natalie Blair sind richtig gut. Für Horrorfans ist aber auch die Story spannend: Die Serie folgt einer Gruppe von Schulabgänger*innen, die einen Sommer voller Angst, Trauer und Verlust erleben, nachdem eine App die Kontrolle über das Telefon einer Freundin übernimmt und mit schwerwiegenden Konsequenzen droht, wenn sie den Forderungen der App nicht nachkommt.
Interessant ist das alles (wie so oft bei Horrorgeschichten) wegen der sozialen Umstände, in denen die Protagonist*innen aufwachsen, und der freundschaftlichen Beziehungen zwischen ihnen. Das hat schon bei Stephen Kings Es funktioniert und es haut auch hier gut hin. Eine weitere Staffel würde gerade diesem Aspekt richtig guttun!
Extraordinary (2023, Disney+, 8 Episoden) Eine ganz andere Baustelle beackert diese Comedyserie. Es geht um Superheld*innen, allerdings unter gänzlich anderen Vorzeichen, als in den Universen von Marvel und DC. In der Welt, in der Hauptcharakter Jen aufwächst, entwickeln nämlich nahezu alle Menschen ab der Volljährigkeit Superkräfte (darunter auch so wichtige wie die Fähigkeit, alles auf der Welt in ein PDF zu konvertieren). Jen selbst ist bereits 25 und hat noch immer keine Superkräfte, was sie zur Verzweiflung bringt und dazu führt, dass sie versucht, die Entwicklung einer Superkraft gemeinsam mit ihren Mitbewohner*innen Kash und Carrie (pun wahrscheinlich intended) zu erzwingen.
Besonders unterhaltsam macht die Serie die irischstämmige Hauptdarstellerin Máiréad Tyers und der Charakter Jizzlord – der als Kater in Jens Leben tritt, aber eigentlich ein gestaltenwandelnder junger Mann ist, der etwas zu lange als Katze gelebt und deshalb zentrale menschliche Umgangsformen erst wieder lernen muss. Ziemlich hilarious das!