Geglückte und misslungene Experimente
Es ist überhaupt nicht Ziel von „experiment literatur“, dass sich das Publikum denkt, „die schau ich mir noch an, wer weiß, wie lange es sie noch gibt“. Allem Anschein nach ist uns aber genau das passiert: Im Mai war Bodo Hell bei uns zu Gast, eine reine Freude, nicht nur literarisch. Bodo kommt nie mit leeren Händen, dieses Mal hatte er Meisterwurz-Schnaps von seiner Grafenberg-Alm mitgebracht. Die Kombination mit seiner Kollegin Julia Jost war ein Traum, nicht nur für mich als Moderatorin. Eigentlich hätte ich den beiden über sehr viele Stunden die Regie über das Geschehen überlassen können, es wäre nichts schief gegangen.
Seit 9. August ist Bodo im Dachstein-Gebiet verschollen, und wir hoffen nun schon wider das bessere Wissen, dass er noch lebendig gefunden wird. Wie schön wäre es, wenn zum Zeitpunkt der Drucklegung alles Geschriebene hinfällig ist, weil er wieder gesund unter uns weilt. So bleibt uns wenigstens die kleine Freude über einen wunderschönen Abend im Mai. Ein Jahr zuvor hätte Helena Adler nach Wels kommen sollen, wir hatten uns beide auf den Abend gefreut. Es ist nie so weit gekommen, Anfang dieses Jahres ist sie mit gerade einmal 40 Jahren gestorben.
Es ist eine banale Wahrheit, dass man sich nicht allzu viel für später aufheben soll. Das ist nun bitte keine billige Werbung dafür, bloß keinen experiment-literatur-Abend mehr auszulassen! Freilich lobt die Kramerin ihre eigene Ware, aber was soll's, wir Frauen müssen ja ohnehin üben, uns nicht mehr als Hochstaplerinnen zu fühlen. Deswegen behaupte ich großspurig, dass der Herbst literarisch noch einmal groß wird. Am 28. September tritt unser neuer Stadtschreiber sein Amt öffentlich sichtbar an. Zu unserem großen Vergnügen ist die Wahl auf Tex Rubinowitz gefallen, einem ebenso großartigen wie spinnertem Autor. Wels ist ihm noch völlig unbekannt, wir können ihm also alles einreden.
Garantiert großartig wird die Lesung von Eva Reisinger und Barbara Rieger – nur nicht für old school Patriarchen. Gerade die sind herzlich eingeladen, sie könnten am 16. Oktober die Einsicht gewinnen, dass ihre Zeit vorbei ist. Für alle bereits Aufgeklärten gibt’s nicht mehr und schon gar nicht weniger als gute Literatur + Suppe.