Für Kaindi (Stefan Kaindlstorfer, 01.03.1974 bis 06.01.2023)
Kaindi war eine prägende, wichtige Person für den Kulturverein. Zu seinem Andenken findet sich hier eine verkürzte Version der Trauerrede, die am 21.01.2023 für ihn gehalten wurde.
Kaindi war im Dezember noch auf einem Attwengerkonzert. Bei Attwenger heißt es in „Swing“: „Wie mia zwa mid dem augfaungt haum, do woara scho laung do, jiatzt is a nimma do und weng dem ged a ma so o“. Kaindi fehlt uns. Er geht es uns ab. Das wird auch nicht vergehen. Das kann nicht vergehen. Das darf nicht vergehen.
Vorwärts und nie vergessen!
Das steht sinnbildlich für uns, die wir Kaindis Wege mitgegangen sind, wir gehen weiter, ohne ihn an unserer Seite. Aber wir vergessen ihn nicht.
Vorwärts und nie vergessen!
• Seine Größe - Ein Riese, ein großer Mensch mit riesigem Herzen. Ein Herz, das, wenn es sich einmal öffnete, offen blieb, dann liebte Kaindi ohne Kompromisse, ohne Rücksichtnahme auf sich selbst.
Vorwärts und nie vergessen!
• Seine Kompromisslosigkeit - Kaindi ging keine Kompromisse ein. Es gab für ihn kein Mäandern, kein Schleichwege-Suchen, kein Sich-auf-Auswege-Einlassen. Das machte es oft nicht leicht für ihn und für uns. Und wie sehr wünschen wir uns, dass wir noch einmal mit ihm nächtelang diskutieren könnten, streiten und als Freund:innen auseinandergehen.
Vorwärts und nie vergessen!
• der politische Mensch - Kaindi hat nie akzeptiert, dass die Verhältnisse halt so sind. Und all jene, die sich lethargisch den Umständen ergeben haben, waren ihm ein Dorn im Auge. Geschult in der Aktion kritischer Schüler und in der Sozialistischen Jugend, war Kaindi ein hochpolitischer Mensch, ohne Dogmatik, ohne ideologische Sturheit und auch hier ohne Kompromisse. Ein weiteres Bild: er, der adjustiert mit Kapuzenjacke und Kappe aus einem Meer an Demonstrant:innen herausragt, skandierend, fordernd, im Kampf für eine bessere Welt.
Vorwärts und nie vergessen!
• der Jugend- und Sozialarbeiter - Vielleicht war es dieser Kampfeswille, der Wunsch, die Verhältnisse zu ändern, die ihn zu einem großartigen Jugend- und Sozialarbeiter gemacht haben. Weil er anderen als echter Mensch begegnet ist. Einer, der sich seiner Privilegien und Ressourcen bewusst war, und auch seiner Wunden und Narben.
Vorwärts und nie vergessen!
• den Freund - Kaindi zum Freund zu haben, war ein Privileg. Und wir alle, die wir das Privileg genießen konnten, ihn als Freund zu haben, wissen, dass Kaindi einer der empathischsten, sanftesten, liebendsten Menschen der Welt war. Jemand, auf den man sich zu allen Zeiten verlassen konnte, dem man vertrauen konnte und der einem vertraute. Der auch in der Freundschaft, in der Liebe bedingungslos war.
Diese Freundschaften, diese Liebe hatten viele Momente, viele Orte, viele Menschen.
• in Wels die Familie, den Urbann und den Alten Schlachthof: Im Schlachthof war Kaindi von Anfang an präsent, nahm Raum und Meinung ein und stand headbangend in der Moshpit, die Brille zur Vorsicht vorher verstaut, und gab sich dem Genuss der Musik hin, diskutierte auch dort die Verhältnisse und wie sie zu ändern sind.
• am Attersee, das Europacamp: Kaindi beim Volleyballspielen, als Hausmeister, an der Bar, in politischen Diskussionen präsent, als Nachtwächter für Ruhe sorgend, politische Lieder mit wahrer Inbrunst intonierend.
• in Wien und Linz, die WGs, das studentische Leben, das AEC, die KAPU und die Stadtwerkstatt, die WG Kolleg:innen, die alle sicher über seine Zimmer sprechen würden, über die Unmengen an Milchpackungen und Essensresten, die sich dort fanden, die zu Kaindi gehörten, genauso wie die Liebe zum Vergnügen und zum Spiel.
• im Mühlviertel, Lilly und seine Freunde. Hier war er fast 12 Jahre und hat sich eingerichtet, hier wäre er wieder weggegangen, hatte seinen Frieden gemacht.
• am Bauernhof, in Pettenbach, sein Sanktum Sanktorum, sein Rückzugsort, seine, wie er sagte, „seit Jahrzehnten stabilsten Beziehungen“. Hier liegt Rüdiger begraben, dieser kurzbeinige, traumatisierte Mischlingsköter, mit dem den großen Kaindi eine innige Freundschaft verband.
Vorwärts und nie vergessen!
• die Ambivalenzen - Kaindi war nicht nur ein schlauer Kerl, sondern ein humorvoller, lustiger Mensch, einer der breit grinsen, milde lächeln, aber auch richtiggehend losprusten konnte. Da war ein Wissen um das Recht auf Faulheit und die Verantwortung des Glücks. Da war aber auch etwas Bitteres und eine Schwermut, die ihn in den Griff nehmen konnte, ihn in den Rückzug drängte und menschenscheu werden ließ.
Vorwärts und nie vergessen!
Im Sommer letzten Jahres hatte er einen Fahrradunfall bei seiner neu gehegten Obsession, dem Mountainbike. Die Schulter verletzt, klar, dass länger nicht gefahren werden kann. Und trotz dieser Einschränkung gab es diesen Aufbruchswillen, den Blick nach vorne. Er wollte weitermachen, Neues entdecken, nicht vereinsamen, kein Altersgrantler werden. Er wollte „nicht zum Arsch werden“, wie er sagte. Das ist ihm gut gelungen.
Vielleicht ist es ein Trost, wenn wir daran denken, dass Kaindis Leben geendet hat, als es ihm gut gegangen ist, als er frohgemut unterwegs war und ihm das Leben vielleicht mehr heiter als wolkig erschienen ist. Aber vielleicht ist es nur noch unfairer.
Es ist so unfair, weil wir niemanden haben, dem wir die Schuld geben könnten an Kaindis Tod, weil niemand verantwortlich ist.
Weil wir hier bleiben, in unserer Trauer, in unserem Schmerz, mit den Gedanken, was wir ihm noch hätten sagen wollen und können, was noch so gut gewesen wäre, gemeinsam zu unternehmen. Wir haben diesen Schmerz und er wird bleiben, weil wir, bei allem Vorwärtsgehen, ihn nicht vergessen können und ihn nicht vergessen werden.
Kaindi war im Dezember noch auf einem Attwengerkonzert. Und bei Attwenger heißt die nächste Textzeile in „Swing“, für Kaindi: „Muas so wos passian wos I ned und ned vaschteh waun da kaindi wieder do wa warad ois wieder oke“.
Mach’s gut Kaindi!